Für uns stellt sich deshalb die Frage: Gibt es ein Ziel der Mystik? Natürlich wäre es verlockend, eine vorschnelle Zieldefinition dessen, womit wir es Angesichts der Mystik zu tun haben zu geben, und ein griffiges Postulat wie etwa: „Ziel der Mystik ist die Einheit mit Gott“ zu tätigen. Doch jeder Versuch die Mystik in ihren vielen Gestalten auf eine einfache Formel zu reduzieren, würde dieselbe immer um einen Teil dessen bringen, was die Mystik ihrem Wesen entsprechend ist. Ich denke aber ich sage nichts Falsches wenn ich behaupte: Das, was den Mystiker in seinem innersten Wesen antreibt, ist ein tiefes und inniges Verlangen danach das Geheimnis des Göttlichen – oder anders gesagt: des großen Ganzen – zu erleben.
Mystik ist in meinem Verständnis immer praktische Mystik, deren Ziel die Erfahrung und die Transformation ist. Dabei muss die Sache an sich nicht immer gleich genannt werden. Manch einer möchte sein mystisches Erleben vielleicht lieber als charismatisches Christentum bezeichnen, ein anderer zieht möglicherweise wieder eine andere Bezeichnung vor. Doch nur weil wir verschiedene Namen für ein Phänomen haben, muss es sich dabei nicht zwangsweise auch um zwei verschiedene Dinge handeln.
Denkbar wäre auch, dass wir in verschiedenen Zugängen zum göttlichen Geheimnis je einen Teil von uns selbst wiederfinden und so unseren eigenen Weg in einem augenscheinlich fremden und uns unbekannten Weg wiederfinden. Demzufolge stellen wir uns geistige Weltdeutungssysteme in ihrer Funktion vielleicht am besten wie konzentrische Kreise vor, die einander an gewissen Punkten überschneiden, und so Schnittmengen der Erfahrung und der Lehre bilden, in anderen Punkten aber auch völlig voneinander abweichen können. Diese Kreise der Weltanschauung haben eines Gemeinsam: den Raum in dem sie sich bewegen und auf den sie ihren Bezug haben. Dieser Raum ist die Realität, die Wirklichkeit. An ihr muss jedes spirituelle Weltdeutungssystem seine Wahrheit erweisen.
Das Ziel der Mystik besteht in einem Erlebnis, dass der Mystiker schon recht früh – aber auch sehr spät – auf seinem Weg machen kann. Wir nennen es: die mystische Hochzeit. Sie ist ein überzeitliches Erleben, eine Erfahrung in der Himmel und Erde einander die Hand reichen und sich berühren. Diese Erfahrung der Einheit mit Gott wurde in der religiösen Symbolik unter anderem durch das als „Schild Davids“ bekannte Symbol, das heute als Symbol des jüdischen Glaubens bekannt ist, wiedergegeben. Ist die mystische Hochzeit, oder die Einheitserfahrung also das Ziel der Mystik? Nun selbst die mystische Hochzeit, ist nur ein Teil des Weges den wir mit Gott zurücklegen. Ein Moment unseres Lebens, nach dem sich viele sehnen wenn sie ihn einmal erlebt haben. Und gleichzeitig eine spirituelle Vorankündigung dessen, was im Reich Gottes noch auf seine endgültige Erfüllung mit uns wartet. Insofern ist das Ziel der Mystik kein anderes, als die Erfahrung und das Erleben der Dimension der Ewigkeit. Und das je und je neu, je und je einzigartig und je und je unerwartet, Grenzen überwindend, und tiefen, heiligen Frieden schaffend.
Es ist ganz wie eine alte Weisheit es lehrt: Auch die längste Pilgerschaft, beginnt mit ihrem ersten Schritt. Wenn wir uns also aufmachen um unser geistiges Ziel zu erreichen, so tun wir es einfach ganz und gar so, als würden wir uns zum ersten Mal auf die Reise machen. Und blicken wir so mit den Augen des Kindes, und des Forschenden auf die mannigfaltigen Überraschungen und Wunder, die unterwegs auf uns warten.
Ich freue mich, wenn wir einen Teil des Weges gemeinsam zurücklegen können. Und wünsche Dir alles erdenklich Gute dabei. Wie immer dein Weg auch aussehen mag. Möge das Licht der Liebe Gottes auch Dir deinen Weg erhellen. In diesem Sinne also, lade ich auch dich herzlich dazu ein, einen Teil des Weges gemeinsam mit uns, gemeinsam mit mir und gemeinsam mit der hohen Feste zurückzulegen. Ich bin gewiss, dass es auf jeden Fall spannend werden wird. Und vielleicht ist das ja das Ziel, um das es im Augenblick gerade geht. Wer weiß?
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