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Mystik und Religionswissenschaft

Mystik und Religionswissenschaft stehen, ähnlich wie Mystik und Chaosmagie, in einem spannenden Verhältnis zu einander. Beide geistigen Disziplinen befassen sich mit der Lektüre und der Reflexion heiliger Schriften grosser Weltreligionen. Doch wo es dem Religionswissenschaftler um die analytische, also verstandesmässige, Beschäftigung mit dem vielschichtigen Phänomen der Religion geht, geht es dem Mystiker um ein tieferes Verstehen – um die Erfahrung.

Ähnliche aber unterschiedliche Voraussetzungen

Zudem betreiben Mystik und Religionswissenschaft ihre geistige Arbeit unter ähnlichen, aber doch anderen Voraussetzungen. Beiden ist ihre Suche nach etwas, im Sinne eines höheren Zieles gemeinsam. Beide nutzen die heiligen Schriften, Techniken, Überlieferungen und Strukturen geistiger Weltdeutungssysteme ausgehend von einer individuellen Metaebene aus und beide wissen sich auf einer Mission. Wo es dem Religionswissenschaftler um den Nachweis substantieller Funktionen, inneren Gemeinsamkeiten und Unterschiede unterschiedlicher Glaubenssysteme geht, geht es dem Mystiker um deren grundlegende Einheit. Der Mystiker fragt beispielsweise nicht: Welche Funktion hat ein bestimmter Ritus?, sondern: Welche Funktion erfüllt dieser Ritus für mich?

 

Wider ein zweifaches Vorurteil

An dieser Stelle müssen wir uns einem zweifachen Vorurteil erwehren. Zum Einen wird der Mystik von ihren Gegnern und Kritikern immer wieder vorgeworfen einem unterschwelligen – und teilweise angeblich offensichtlichen – Synkretismus verfallen zu sein und somit also eine Vermischung unterschiedlicher Glaubenssysteme zu praktizieren. Dem ist zu sagen, dass es dem Mystiker nicht um die Vermischung von irgendetwas geht. Es geht ihm um die Einheit der Dinge, um das von Gott in allen geistigen Regungen in der Geschichte der Menschheit. Und es geht ihm darum, sich dieser Einheit mit Gott bewusst zu sein.

Zum Anderen meinen andere Zeitgenossen, die Mystik würde Geheimnisse sehen wo keine Geheimnisse sind, und müsste so von vorne herein zu falschen – weil vorher schon erwarteten – Ergebnissen kommen. Theologisch gesprochen, betriebe der Mystiker also angeblich eine Eisegese (Heineinlegung) statt einer Exegese (Auslegung) biblischer Texte. Hier sei angemerkt: Das eine und wahre Ergebnis, nach dem alle Mystik strebt ist immer die Erfahrung. Es geht dem Mystiker nicht um kompliziert formulierte – und damit für sein Leben nutzlose – Lehrsätze, sondern darum den einen Geist in allen Dingen zu finden. Es gibt Mysterien in allen Dingen des Lebens und verborgene Geheimnisse des Göttlichen auch im noch so Profanen und Unspektakulären. Der Mystiker liest nichts in Texte hinein, das nicht dort ist. Er geheimnisst nichts in Phänomene hinein, die des Geheimnisses und seinen Dimensionen völlig entbehren würde. Der Mystiker öffnet sein geistiges Auge – und sieht schlicht das was da ist. Inklusive der verborgenen Dimensionen des Seins. Was Wunder also, wenn das für die nicht Eingeweihten so aussieht, als würde er geistige Wahrheiten in Dingen sehen, die nicht da sind?