Mystik - eine Angelegenheit für Praktiker
Mystik ist an sich kein Thema, das heute in enorm spektakulärer Art und Weise durch die Medien geistern würde, aber doch etwas das uns allen offensteht. Genauer gesagt würde ich sogar sagen Mystik geht uns alle an. Das deutsche Wort Mystik stammt vom griechischen Wort „mystikos“ was schlicht geheimnisvoll meint. Und genau darum geht es in der Mystik: Es geht um das grosse Geheimnis. Und unser Verhältnis dazu.
Heute werden unter dem Begriff Mystik eine Vielzahl von spirituellen Methoden und Techniken verstanden, die allesamt versprechen uns neue spirituelle Dimensionen unserer selbst zu zeigen. Doch ursprünglich meint Mystik nichts anders, als das geistige Geheimnis des Lebens – und die Erforschung desselben.
Mystik vollzieht sich immer im Erlebnis. Insofern hat alles Leben von Haus aus eine mystische Dimension. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass der Mensch ein mystisches Lebewesen ist, das auf eine Begegnung mit der geistigen Wirklichkeit hin ausgerichtet ist. Schon die Entwicklung des Kindes scheint von der Frage nach dem Warum, der Frage nach dem Sinn des Lebens und den Ursachen der Dinge getragen. Das Kind fragt schlicht: Warum? Und oft genug kommt der aufgeklärte Geist des Erwachsenen in Erklärungsnot. Nicht immer sind wir dazu in der Lage die Geheimnisse des Lebens oder des Universums mit dem Verstand zu erfassen, geschweige denn in einer Art und Weise zu erklären, dass sie von den einfachsten – und kritischsten – Geistern problemlos nachvollzogen werden kann.
Mystik als Weg geistiger Offenheit
Die Eigenschaft Fragen stellen zu können, weist auf den tiefgehenden Wunsch des Menschen hin zur Erforschung der geistigen Natur der Wirklichkeit hin. Alle Spiritualität ist letztlich auf die Mystik, als dem Königsweg hin zur Einheit aller Dinge hin gerichtet. Ziel der Mystik ist nicht Antworten zu geben. Es besteht vielmehr darin, unseren Geist je und je neu für das grosse Geheimnis zu öffnen – und die Seele über die Frage zur Erlösung zu führen.
Mystik ist dabei etwas anderes, als traditionelle Religion – auch wenn dieser wesentliche Unterschied von vielen unserer Zeitgenossen nicht nachvollzogen werden kann. Dem Mystiker ist dies indessen vollkommen klar. Ihm geht es nicht um Dogmen, Lehrsätze oder die Mittlerfunktion einer Kirche oder Religionsgemeinschaft. Ihm geht es um die unmittelbare Erfahrung des Geistes, um seine verborgenen Kräfte und um den Kontakt zum Göttlichen. Der Mystiker scheut sich nicht davor geistige Techniken anzuwenden, wo er sie seinen Mitmenschen zum Segen werden lässt. Er ist auch nicht, wie viele meinen, notwendigerweise nur passiv in der Ausübung seiner geistigen Möglichkeiten. Er sucht die Nähe zum grossen Geist, und lässt diesen nach dessen Willen durch sich fliessen. Mehr noch: Er meditiert darüber und betet dafür, dass der Wille Gottes sein Wille wird. Und erklärt mit Augustinus: „Herr gib mir, nach deinem Willen zu wollen!“ Denn in diesem Einklang mit dem Göttlichen findet der Mystiker wahre Freiheit, wahren Frieden und den wahren Sinn seines Lebens - als eins in Einem, mit Allem.
Mehr als eine Definition
Mystik ist keine Frage der Definition. Sie ist eine Sache der Praxis. Da verwundert es nicht, dass es angesichts der Vielzahl mystischer Bewegungen, Praktizierender und geistiger Schulen die von sich – oder ihrer Umwelt – allesamt als mystisch bezeichnet werden, auch eine nicht geringe Zahl an unterschiedlichen Definitionen dessen was Mystik denn eigentlich sei gibt. Die Crux an der Sache: Jeder Mystiker wird diese Frage ein wenig anderes beantworten. Und so eigentlich nicht die Frage beantworten, was Mystik an sich sei, sondern was Mystik für ihn ist. Und damit in bester mystischer Tradition stehen.